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Topfschlagen mit den Polen

Über die drei verschiedenen Topf-Kategorien bei den Olympic Qualifiers

Miroslaw Juszczak (l.) und Dariusz Rachwalski gehören zum polnischen Auswahlteam in Japan. Foto: Geiger

Versucht man mal die Nationen einzutopfen, die an den drei Herren-Qualifikationsturnieren für die Olympischen Spiele in Peking teilgenommen haben, ergeben sich drei verschiedene Ländertöpfe: ein Favoritentopf mit den Nationen, die das Finale des jeweiligen Turniers erreicht haben, noch werden oder doch knapp verpasst haben. Darin tummeln sich allen voran Weltmeister Deutschland sowie die Nationen unter den ersten 12 der Weltrangliste wie Argentinien, England, Indien, Neuseeland und Japan. Sie alle profitieren von guter oder zumindest angemessener Vorbereitung.

Daneben ließe sich ein Überraschungstopf ausmachen, in dem teilweise sehr gut, teilweise nur halbwegs vorbereitete Teams aus den Regionen zwischen Weltranglistenplatz 12 und 21 wie Malaysia, Frankreich, Irland, Chile und Polen alles daran setzen, das erwartete Finale der Nationen aus Topf 1 zu durchkreuzen, Irland hätte es fast geschafft, Malaysia kriegt morgen noch seine Chance. Es folgt Trosttopf 3 mit Mannschaften, die bestimmt viel Potenzial aber doch oft nur eine erbärmliche Vorbereitung und zwangsläufig auch keine faire Chance im Wettbewerb haben: Von Trinidad und Tobago auf Platz 24 der Weltrangliste über Österreich, USA, Mexiko, Schweiz und Italien bis hin zu den 45. Russland, die mit Platz drei in Santiago bislang die einzige Überraschung der gesamten Qualifier haben landen können.

Für die Turnierdramaturgie ist Topf 2 also von entscheidender Bedeutung, dessen Teams immer für eine Überraschung gut genug sind. Mit diesem Wissen fällte dann auch der polnische Hockeyverband die Entscheidung, dass er sein Herrenteam nicht etwa zur Hallen-EM in Jekaterinenburg im Januar dieses Jahres schickte, sondern schon seit Dezember 2007 die Vorbereitung zum Olympischen Qualifier startete. Wie erstaunlich diese Maßnahme ist, zeigt nicht erst, dass Polen bei der letzten Hallen-WM in Wien Vize-Weltmeister wurde und somit mit großer Wahrscheinlichkeit und traditionell starken Hallenspielern in den russisch-deutschen Titelkampf hätte eingreifen können.

„Aber der Verband hat klare Prioritäten gesetzt: Die Olympia-Qualifikation ist wichtiger als die Hallen-EM“, erklärt Miroslaw Kluczynski, der mit seinen 27 Jahren schon über 100 Spiele für Polen bestritten hat. Und sein Teamkollege Dariusz Rachwalski fügt hinzu: „Keiner unserer 18 Spieler hier in Japan hat dieses Jahr in der Halle gespielt. Stattdessen hatten wir seit Ende letzten Jahres zweiwöchige Trainingslager in Polen und Spanien, mehrere Vorbereitungsspiele gegen Großbritannien und unmittelbar vor Japan auch gegen Korea.“

Wie die deutschen Herren seien sie außerdem dem europäischen Winter ins südafrikanische Potchefstroom entflohen – weltmeisterlich ist die polnische Vorbereitung allemal. „Natürlich hatten wir uns dementsprechend auch mehr erhofft hier in Kakamigahara, und die Stimmung war ziemlich am Boden, nachdem wir die ersten beiden so wichtigen Spiele gegen Malaysia und Japan verloren hatten“, meint Dariusz. Der 24-Jährige, der auch schon für Großflottbek spielte, ist übrigens nicht nur ein ausgezeichneter Hockeyspieler, sondern auch höchst sympathisch. Er glaubt auch, dass sie mit einem anderen Spielplan, bei dem sie mit leichteren Gegnern das Turnier begonnen hätten, vielleicht auch gegen die stärkeren Teams mehr hätten erreichen können.

Zudem sei der Qualifier hier in Japan ja mit den Deutschen, Japanern und Malaysiern wirklich ziemlich hart, da hätte man auch mehr Glück haben können... „Dafür ist die japanische Kultur aber wirklich spannend, die Menschen sind so anders und die Kommunikation mit ihnen so schwer“, doch leider hätten sie keine Zeit gehabt, sich ein wenig das Land anzuschauen. Wie ermüdend ein Tokio-Ausflug sein kann, hätten ihm auch schon die deutschen Spieler erzählt. In ihrem morgigen Spiel gegen die Deutschen können sie nun aber „sehr befreit aufspielen“, so Miroslaw: „Wir haben nichts zu verlieren und hoffen einfach auf ein gutes Spiel gegen die Deutschen.“ Spannend werde es ja erst danach, wenn sich ihr Gegner für das Spiel um Platz 3 und der Finalgegner der Deutschen herausstellt. Oder sollte man anders fragen: Wer möchte gerne einen Blumentopf gewinnen?

Charlotte Geiger

 
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